Samstag, 31. Dezember 2011
Google Art
Freitag, 30. Dezember 2011
Bloodlust von Russell Jacoby
Der Historiker Russell Jacoby hat ein neues Buch mit dem Titel „Bloodlust. On the Roots of Violence from Cain and Abel to the Present“ veröffentlicht. Jacoby steht in der Tradition der Kritischen Theorie und hat einige Bücher zur Geschichte der Intellektuellen in den USA geschrieben. Außerdem versuchte Jacoby immer wieder die Verbindung von Psychoanalyse und Gesellschaftstheorie zu leisten, wie z. B. in seinem Buch Soziale Amnesie. Eine Kritik der konformistischen Psychologie von Adler bis Laing und in seiner Biografie des Psychoanalytikers Otto Fenichel Die Verdrängung der Psychoanalyse oder der Triumph des Konformismus. Sein neues Buch Bloodlust widmet sich dem gesellschaftlichen Phänomen der Gewalt und liefert dazu Erklärungen, die quer stehen zu denen des Alltagsbewusstseins und inzwischen auch zu denen der Akademie. Jacoby vertritt die These, dass Gewalt nicht entsteht, wenn Fremde aufeinander treffen, unterschiedliche Kulturen sich begegen oder das „Andere“ Unsicherheit und Furcht hervorruft - sondern im Gegenteil: Gewalt ensteht unter Gleichen: unter Nachbarn, unter Freunden und Bekannten und, vor allem, in der Familie.
„We want to believe that the persecuted are outsiders. How else can we explain what happens to them? We find it difficult to accept, that the persecuted are insiders or neighbours; this makes the story more uncomfortable. … The attack-the-foreigner explanation apprehends with ease other genocides. Why did the Serbs murder the Bosnians? Or the Rwandan Hutus murder Rwuandan Tutsis? No need to ask. Mutual hatred, we say. Yet the opposite may be closer to the truth. Serbs and Bosnians, and the Tutsis and Hutus lived together naively, without really knowing or caring who was who - for centuries. In the same way Jews lived in Germany with minimal fuss or notice. However, we prefer the notion of a primal hatred for primal strangers. This is psychologically easier to grasp and requires no introspection.“ (p. 110f)Jacoby entnimmt der Geschichte Stichproben besonders gewalttätiger Ereignisse: die Bartholomäus-Nacht, Bürgerkriege, die Französische Revolution und die Judenvernichtung im Nationalsozialismus und zeigt an diesen Beispielen, wie gerade die schlimmsten Atrozitäten nicht an Fremden begangen wurden, sondern die Unterschiede der vermeintlich anderen zur Rationalisierung der Gewalt oft erst umständlich hergestellt wurden. Jacoby nutzt dazu das Freudsche Begriffsinstrumentarium, die Analyse des Unheimlichen und den Begriff des Narzissmus der kleinen Differenzen. Damit erreicht er eine Umkehrung der Perspektiven: die Fremden sind nicht mehr die anderen, sondern das eigene Unbewusste und nicht Fremdheit produziert Hass, sondern Gleichheit wirkt bedrohlich auf den Einzelnen. Jacoby liefert im besten Sinne Gegengift, zum kulturalistischen Mainstream, der die Unterschiede von Identitäten und Kulturen als Erklärung für alles mögliche präsentiert - ein unbedingt lesenswertes Buch, dem etwas mehr Aufmerksamkeit auch in Deutschland zu wünschen wäre. Hier kann man einen Blick in das Buch werfen. Zum Schluss ein Wort des Autors über sein eigenes Buch, das der Verlag bei Youtube eingestellt hat:
Mittwoch, 23. November 2011
Georg Kreisler ist tot!
Sonntag, 9. Oktober 2011
Unrealistischer Realismus
Detlev Claussen über die Dialektik der Aufklärung
Freitag, 7. Oktober 2011
Gedächtnisprobleme der Nation
Donnerstag, 6. Oktober 2011
Occupy Wall Street
Dienstag, 4. Oktober 2011
Ideologie heute?
"Wenn also jemand, sagt Engels, gegen Microsoft oder Bertelsmann bloggt, die Piratenpartei wählt oder ihr beitritt, weil Information frei sein soll oder das digitale Zeitalter neue Formen von Arbeit erlaubt oder aus sonst einem abstrakten Grund, und dabei nicht sehen oder artikulieren kann, welche Art eigener Praxis - als überausgebildetes, gegenüber den eigenen Eltern jämmerlich unterversichertes, ohne Tarifdruckmittel auf dem Zeitvertrags-Markt unverstandenen Gezeitenkräften ausgeliefertes Würstchen - diese schönen Ideale so plausibel macht, dann liegt Ideologie vor. Das gilt selbst und gerade dann, wenn diese Ideologie sich 'kritisch' vorkommt."
Sonntag, 18. September 2011
AkG-Konferenz zu Europa
Das Programm ist breit aufgestellt und liest sich eher akademisch als politisch, dennoch könnte es lohnend sein, sich z.B. etwas über Economic Governance, Frontex oder die gegenwärtige Situation in Ungarn anzuhören.
Die Seite der AkG erreicht ihr hier, das Programm der Tagung hier.
Freitag, 9. September 2011
Blog der DGS
Donnerstag, 8. September 2011
Die Kunst der Freiheit
Mittwoch, 31. August 2011
Hegel und Haiti
Bei Suhrkamp gibt es wieder eine Leseprobe. Im Netz findet man teilweise ganze Kapitel des englischen Originals. Bei Konkret ist der Band zum "Buch des Monats" erkoren worden, leider ist die Rezension aber nicht online zugänglich. In der Zeitschrift analyse & kritik ist eine Rezension veröffentlicht und beim Freien Sender Kombinat aus Hamburg kann man sich eine Besprechnug als Radiobeitrag anhören.
Samstag, 27. August 2011
Die Kulturindustrie und das Militär
Sonntag, 21. August 2011
Joel Sternfeld im Museum Folkwang
Seit dem 16. Juli - und noch bis zum 23. Oktober - ist im Essener Museum Folkwang eine Ausstellung des amerikanischen Fotografen Joel Sternfeld zu sehen. Die Ausstellung konzentriert sich auf Arbeiten, die zwischen dem Ende der 1960er und den späten 1970er Jahren entstanden sind.
Sternfeld ist - neben William Eggleston - einer der Fotografen, die die Farbfotografie als künstlerisches Medium erschlossen haben. Zuvor galt diese als zu grell; Kunst hatte, wenn sie schon die Realität abbildete, in schwart-weiß stattzufinden.
Als Momentaufnahmen amerikanischen (Mittelschicht-) Lebens schaffen es die Bilder Sternfelds, Geschichten darzustellen. Die Mischung aus ironischer Distanz und Nähe zu den abgebildeten Personen finde ich sehr faszinierend.
Mehr zu sehen gibt es auf der Seite des Museums Folkwang und bei Sternfleds Galerie Luhring Augustine. Nach Ende der Ausstellung in Essen sollen die Bilder noch in Paris, Berlin und Wien gezeigt werden.
Donnerstag, 18. August 2011
Party for Jesus
"The Tea Party's generals may say their overriding concern is a smaller government, but not their rank and file, who are more concerned about putting God in government."Sie dazu auch cb's post.
Mittwoch, 17. August 2011
Fernsehen statt Kino!
„Das Kino, heißt es nun, habe ein Problem, das Fernsehen sei die Lösung: ‚Während sich die Studios in Hollywood vom filmischen Erwachsenendrama zugunsten von 3D-Spektakeln, Fantasy- und Videospielverfilmungen verabschieden, wird das Fernsehen zur Zuflucht der Drehbuchautoren, denen ihr Schreiben wichtig ist.‘“Ritzers These, die expiziten Gewalt- und Sexdarstellungen der Serien würden den Tabubruch in den Mainstream integrieren hingegegen finde ich nicht so überzeugend. „Kulturelle Dissidenz ist zum produktiven Motor eines kulturindustriellen Marktes geworden, der gerade durch seine scheinbare Heterogenität ein Maximum an Homogenität garantiert.“ Das ist sicher prinzipiell richtig, ob es aber das spezifische dieser neuen Kulturform trifft, bezweifle ich - zu viele Beispiele kultureller Produktionen der letzten Jahrzehnte ließen sich finden, auf die dieses Argument ebenso zuträfe.
Donnerstag, 11. August 2011
Kracauer als Journalist
Im Suhrkamp Verlag ist ein neuer Band der Werke Siegfried Kracauers erschienen, der dessen journalistische Arbeit für die Frankfurter Zeitung dokumentiert. Die Artikel können sicher einen guten Zugang zu dem sonst eher sperrigen Werk Kracauers liefern. Suhrkamp hat auch eine kleine Leseprobe ins Netz gestellt und hier finden sich ein paar Rezensionen:
Über allem thront das Warenhaus (Zeit)
Am Grund der Oberfläche (Tagesspiegel)
(An dieser Stelle mal die Frage: Warum macht Suhrkamp eine high-end Werkausgabe von Kracauer und von z. B. Adorno, Marcuse und Lukács sind nicht mal mehr Restexemplare der gebundenen (mittelmäßig editierten) Werkausgaben erhältlich?!)
Dienstag, 9. August 2011
Der Teutschen Broder
"Es wäre demagogisch, Broder und andere deutsche Islamophobe zu geistigen Brandstiftern zu erklären und für Breiviks Verbrechen in Mithaftung zu nehmen. Aber richtig ist eben auch, dass Schriften, wie sie Broder verbreitet, das Entrebillett für den aggressiven Antiislamismus bilden, der nicht nur die deutsche, sondern fast alle europäischen Gesellschaften befallen hat. Spätestens nach den Morden Breiviks empfiehlt sich dringend verbale Abrüstung."
"So bricht in Deutschland eine Debatte über das Völkerrecht aus, wenn die Amis einen Massenmörder zur Strecke bringen, ohne ihn vorher darüber aufzuklären, dass alles, was er sagt, gegen ihn verwendet werden kann. Wenn aber ein Kinderschänder, der seine Strafe verbüßt hat, nicht in Sicherungsverwahrung genommen, sondern entlassen wird, bildet sich sofort eine Bürgerinitiative, die von der Polizei mit viel Mühe davon abgehalten werden muss, das Gesetz in die eigenen Hände zu nehmen.Denn dabei handelt es sich nicht um einen Fall von Menschen- oder Völkerrecht, sondern um den Erhalt des dörflichen Idylls im Hunsrück oder in der Eifel, jedenfalls um ein Stück Lebensqualität, etwas, wovon die Amis, wie man schon an ihren Essgewohnheiten erkennt, sowieso keine Ahnung haben. Denen geht es nur um Geld, Macht und Profit."
Sonntag, 7. August 2011
Feminism and the politics of identity
The recent Eurozine carries an interesting article by Rita Chin titled "Turkish women, west German feminists, and the gendered discourse on Muslim cultural difference". Well, the central thesis is not really all that new. The author shows systematically - albeit rather simply - how the recent proliferation of discourses regarding the alleged Muslim threat to the modern, supposedly Judeo-Christian, European identity embroils the earlier feminist and progressive anxieties about the fate of the immigrant woman. In other words, how European identity politics implicates feminism and its assumptions. This bears resonance with one of the central debates within Indian feminism.
The repeal of the Personal Laws, or communal civil codes for different religious communities that were initially framed in the colonial times and the establishment of a modern Uniform Civil Code (UCC) had been a central demand of the Indian feminists right from the seventies. This tenet is also enshrined as a guiding principle in the Indian Constitution, and thus seemed to be above the political fray. The feminist demand therefore had a liberal but somewhat harmless character that matched its primarily urban and upper caste milieu. But all that changed in the 1980s as the demand for the UCC became one of the favorite slogans of the Hindu nationalists. They raised it strategically to help construct an Islamophobic narrative, where the Sharia-based Muslim Personal Law was depicted as one more evidence of the systematic appeasement of the Muslims by the ruling elite (read the Congress party) in postcolonial India. This cooptation from the Hindu Right of their cherished ideal, which had earlier appeared uncontestable due to its modernist credentials and unrealizable due to the straggling premodernity of the Indian politics, unhinged the feminist movement in India and split it into pro-UCC and anti-UCC factions. Here is an article by Flavia Agnes from the early nineties which presents a critique from the latter position of the left-liberal assumptions of the Indian feminism.
Montag, 1. August 2011
Soziologie ist ein Kampfsport
Donnerstag, 28. Juli 2011
Kreation und Depression
„Im Zentrum des Bands steht ein Befund gegenwärtiger Gesellschaftskritik: Eigenverantwortung, Initiative, Flexibilität, Beweglichkeit, Kreativität sind die heute entscheidenden gesellschaftlichen Forderungen, die die Individuen zu erfüllen haben, um an der Gesellschaft teilnehmen zu können. Sie haben das alte Disziplinarmodell der Gesellschaft ersetzt, ohne dabei freilich die Disziplin abzuschaffen. An die Stelle einer Normierung des Subjekts nach gesellschaftlich vorgegebenen Rollenbildern ist der unter dem Zeichen des Wettbewerbs stehende Zwang zur kreativen Selbstverwirklichung getreten. Man gehorcht heute nicht mehr, indem man sich einer Ordnung unterwirft und Regeln befolgt, sondern indem man eigenverantwortlich und kreativ eine Aufgabe erfüllt. Im Blick auf häufig wechselnde ‚Projekte‘ sollen die Einzelnen ihren eigenen Neigungen folgen, um sich jeweils ganz – mit allen Facetten ihrer Pers önlichkeit – ‚einzubringen‘. Es scheint, dass sich Einstellungen und Lebensweisen, die einmal einen qualitativen Freiheitsgewinn versprachen, inzwischen so mit der aktuellen Gestalt des Kapitalismus verbunden haben, dass daraus neue Formen von sozialer Herrschaft und Entfremdung entstanden sind.“ (S.7)
Mittwoch, 27. Juli 2011
Neues von den Evangelikalen?
Marcia Pally – Kulturwissenschaftlerin und regelmäßige Kolumnistin in der Frankfurter Rundschau hat ein Buch über die „Neuen Evangelikalen“ in den USA geschrieben. Die Rezension auf hsozkult.de klingt zunächst auch ganz spannend: Neben einem historischen Überblick über die Evangelikale Bewegung in den USA, der sich insb. ihren politischen Bestrebungen widmet; und einem längeren Exkurs über das Verhältnis von Staat und Kirche ist der Kern des Buches eine Sammlung von Interviews mit verschiedenen Vertretern des liberalen Flügels der Evangelikalen.
Problematisch an Pallys Buch scheint der Versuch, zu zeigen, dass auch religiöse Bewegungen einen Beitrag zur politischen Liberalisierung leisten können (die FAZ spricht von message overkill). Hierfür hätte Pally auch ein Verweis auf die Anfänge der Evangelikalen Bewegung gereicht, die sich stark gegen Sklaverei und Rassentrennung, für soziale Hilfsleistungen usw. eingesetzt hat. Auch im 20. Jhdt. gab es schon eine Bandbreite von evangelikalen Gruppierungen, die nicht mit dem hegemonialen Bild der christlichen Rechten übereinstimmten (u.a. gibt es seit Jahrzehnten Zusammenschlüsse evangelikaler Homosexueller). Insb. vor dem Hintergrund eines historischen Abrisses der evangelikalen Bewegung in den USA überrascht Pallys Ansinnen ein wenig: schon auf Grund der Pluralität religiöser Formen in den USA und des mangelnden Schutzes durch den Staat, der zwar Religion per se als wichtig anerkennt, jedoch keine einzelne Kirche zur Staatskirche macht, waren di verschiedenen Denominationen auf einen offenen Wettbewerb um Mitglieder und die Anerkennung demoratischer Umgangsformen angewiesen. Hier mag auch Pallys Exkurs zum Verhältnis von Staat und Kirche, der sich – so die Rezension – sehr stark auf Europa bezieht zur Verzerrung beitragen.
Interessant scheint mir v.a. das Interviewmaterial, denn das offene Bekenntnis zu liberalen Zielen, wie es sich im Evangelical Manifesto von 2008 äußert – und das einer der Ausgangspunkte des Buches ist – scheint schon anzuzeigen, dass sich etwas tut in der evangelikalen Landschaft.
Was im Buch jedoch zu fehlen scheint ist ein Verweis auf die Tea Party Bewegung, die m.E. gar nicht mehr darauf hinzuweisen braucht, dass sie evangelikal/christlich ist und einen großen Teil des – vormals in der New Christian Right aufgehenden – konservativen Ressentiments auffängt.
(Dass gerade Pally den Versuch macht die Religion als Teil einer liberalen Agenda zu präsentieren, überrascht ein wenig in Anbetracht ihrer Beiträge in der Frankfurter Rundschau, da sie sich dort oft große Mühe zu geben scheint, der linksliberalen Leserschaft zu bestätigen was sie eh schon über die USA weiß.)
Montag, 18. Juli 2011
Adorno vs. Gehlen
Gehlen: Ja, ich würde nicht einmal sagen, Herr Adorno, ich gebe Ihnen das zu, nicht wahr, die Normen, die Einstellungen, die Vorstellungen, die in diesen Institutionen sozusagen auf alle verteilt sind, die leben auch in jedem Einzelnen, unmittelbar, nicht wahr, dann darin, das ist richtig und das kann man untersuchen. Das sie nun gleich ihm von innen her als eine fremde und bedrückende Macht entgegentreten, würde ich gar nicht mal ohne Weiteres unterstellen, das kann vielleicht vorkommen unter besonderen Umständen...
Adorno: Ja, nicht ohne Weiteres, aber mit Weiterem.
Soziologisches Streitgespräch Adorno vs. Gehlen 1965 from Berenike Eimler on Vimeo.
Donnerstag, 14. Juli 2011
Bon 14 Juillet!
"Solange die Sonne am Firmament steht und die Planeten um sie kreisen, war das noch nicht gesehen worden, daß der Mensch sich auf den Kopf, d. i. auf den Gedanken stellt und die Wirklichkeit nach diesem erbaut. Anaxagoras hatte zuerst gesagt, das der nous, die Vernunft, die Welt regiert; nun aber ist erst der Mensch dazu gekommen, zu erkennen, daß der Gedanke die geistige Wirklichkeit regieren solle. Es war dieses somit ein herrlicher Sonnenaufgang. Alle denkenden Wesen haben diese Epoche mitgefeiert. Eine erhabene Rührung hat in jener Zeit geherrscht, ein Enthusiasmus des Geistes hat die Welt durchschauert, als sei es zur Versöhnung des Göttlichen mit der Welt nun erst gekommen." (Hegel, Vorlesungen über Philosophie der Geschichte, stw, p. 529)
Dienstag, 12. Juli 2011
Andrei S. Markovits - Die Feminisierung eines globalen Sports
Bewegte Bilder
Montag, 11. Juli 2011
"Das Sich-nicht-Einmischen ist etwas, das man als urbane Tugend bezeichnen kann"
Spannend finde ich auch den Hinweis darauf, dass die zunehmende Kontrolle des öffentlichen Raums mit einer zunehmenden Heterogenität der Städte einhergeht - und es ist hier gerade nicht gemeint, dass z.B. Migranten, randalierende Jugendliche o.ä. die Kontrollen notwendig machten, sondern, dass es die zunehmend in den innerstädtischen Raum ziehenden Mittelschichten sind, die nach ihnen verlangen (z.B. um von Müll unbehelligt um den Zürich-See joggen zu können, wie es einer der Kommentatoren einfordert). Gleichzeitig ist damit von Wehrheim impliziert, dass die Segregation von Städten zwar umfassender wird, nicht jedoch, dass sie neu sei. Während früher Bürger durch die Innenstädte flanierten und das Proletariat in den ihm zugewiesenen Vierteln blieb, werden die Innenstädte jetzt zum Begegnungsort vermeintlich inkompatibler Lebensentwürfe.
Dass mit dem Versuch, dieser Konflikte durch Überwachung, Kriminalisierung und Verdrängung Herr zu werden, auch das produktive Moment städtsichen Lebens verdrängt wird, ist der Kern des Interviews.
Sonntag, 10. Juli 2011
Alain Ehrenberg - Das Unbehagen in der Gesellschaft
Der französische Soziologe Alain Ehrenberg hat vor schon zwölf Jahren mit seinem Buch „Das erschöpfte Selbst“ die These formuliert, dass Subjektivität heute durch eine depressive Struktur gekennzeichnet sei und eher an Verantwortung und Freiheit leide als an Verbot und Autorität. Diese These ist inzwischen in den Common Sense eingegangen und nicht selten wird sein Buch zum vermeintlichen Beleg einer diffusen Zeitdiagnose herangezogen. Trotzdem ist die Frage, wie Freiheit und Repression sich in neuen Formen von Subjektivität ergänzen, zentral für die Analyse der neuen Gesellschaft. Nun hat Ehrenberg das Thema in einem 500 Seiten Werk mit dem Titel „Das Unbehagen in der Gesellschaft“ erneut aufgegriffen und analysiert es in einer transatlantischen Perspektive.
Der Tenor des Feuilletons ist ambivalent, hier eine Zusammenstellung der Rezensionen:
Jammern auf hohem Niveau (FR)
Leiden gehört zur Demokratie (Taz)
Vom Zwang, ein Ich zu sein (SZ)
Die Schwierigkeit, gesund zu sein (NZZ)
Der Suhrkamp-Verlag hat eine recht lange Leseprobe auf seine Seite gestellt, die man hier einsehen kann.
Sonntag, 3. Juli 2011
Freud's English discontents
The malaise of Freud's English translations, if it is to be addressed as such, is actually of a much shorter passage within the Old World. James and Alix Strachey, the famous British psychoanalyst couple (although Alix was born in the US, she’d studied in Britain) started translating Freud at his request in Vienna, and are still considered to be the translators of the most complete Freud edition in English. The effective political/intellectual context for Freud’s English translations is the fascinating – productive even though complicated – encounter between the Bloomsbury Group and Freudian psychoanalysis that began in the years preceding the First World War and continued into the twenties. The correspondence between the Stracheys from the mid-twenties provides an interesting insight into the early English absorption of psychoanalysis.
But, James Strachey also happens to be the much revered general editor of the Standard Edition of the Complete Psychological Works of Sigmund Freud, and the irony is that his initial editorial selections form the basis for many of the modern German language Freud editions, viz. the Studienausgabe.
Freitag, 1. Juli 2011
Konferenz-Dokumentation: Traditionalität und Aktualität. Zur Aufgabe kritischer Theorie
Die Konferenz nahm aber Maus Geburtstag eher zum Anlass die Kritische Theorie auf ihre Aktualität hin zu befragen, zusammen mit unterschiedlichen Vertretern dieser Theorietradition. Die Konferenz stieß auf großes studentisches Interesse und es wurde lebhaft und kontrovers diskutiert - wer nicht dabei war kann die ganze Konferenz nun im Internet nacherleben und zwar hier.
Organisiert wurde die Tagung übrigens, wie sollte es anders sein, nicht vom Marburger Institut für Soziologie, sondern von einer studentischen Initiative.
Seekrank über den Atlantik: Freud auf Englisch
Interview mit Dan Diner zur arabischen Revolution
Montag, 27. Juni 2011
Chinas Neue Linke
Sonntag, 26. Juni 2011
Tell Me Something I Don't Know
Montag, 20. Juni 2011
Clearing the fogs of history
For those who have been waiting with bated breath for the sequel to Amitav Ghosh's Sea of Poppies or the second installment of his putative Ibis Trilogy, the early arrival of River of Smoke is good news indeed.
This trilogy explores the fascinating but woefully under-researched history of the so-called Opium Wars in the mid-nineteenth century. It is virtually unknown that India became the largest producer and exporter of opium under the British rule in the nineteenth century and that in large measure this financed the British Raj. The participation of Indians in the opium trade and the Imperial deployment of the Indian soldiers in the war against China is almost never discussed, especially in India. On this tragic enmeshing of Indian and Chinese histories, the silence of the Imperial and postcolonial histories is indeed deafening. The British Imperial triangulation of India and China in the Opium Wars constitutes a significant chapter in the complicated history of colonial modernity, another tenebrous moment in the dialectic of Enlightenment.
Freitag, 17. Juni 2011
So viel Urlaub! Cees Nooteboom, Tourist
"Eines Tages habe ich meinen Rucksack gepackt, Abschied von meiner Mutter und den Zug nach Breda genommen, mich an der belgischen Grenze an den Strassenrand gestellt und den Daumen hochgestreckt. Und ich bin eigentlich nie mehr zurückgekehrt."
Donnerstag, 16. Juni 2011
Marx-Mode
Broder zur Funktionalisierung von Moral
Montag, 13. Juni 2011
Der Fussballstar als Sachbearbeiter: Zur 'Amerikanisierung' des Fussballs
Freitag, 10. Juni 2011
Wer ist Schuld an der Gentrifizierung?
Dienstag, 7. Juni 2011
WAHRHEIT – KUNST – GESELLSCHAFT. ADORNO HEUTE
Die Tagung ist thematisch breit aufgestellt und die Beiträge gruppieren sich eher lose um das Thema Kunst - aber man kann sicher ein paar spannende Vorträge hören, denn das Motto lautet: "Der noch heute provozierende Gehalt von Adornos Denken erweist sich aber vor allem in der materialen Analyse."
Das Programm gibt's hier.
Montag, 6. Juni 2011
The spring of academic comparisons
The latest Eurozine carries a short essay by Seyla Benhabib titled “The Arab Spring: Religion, revolution and the public sphere". It is a rather predictable but not uninteresting take on the recent world-historical events unfolding in North Africa and West Asia. Well, it is not as though she's able to offer any illuminating insight into these events, but it is the mode of argumentation that I believe is telling.
Now, this reminds me of Detlev Claussen's insight into academia's relationship with politics (and I am not quoting him verbatim): It is often the least political of academicians who rehearse the most audacious gestures that merely mimic the form of the political.
Handy Tool!
This should be read as a response to DV's previous posting titled “Der postheroische Charakter”. I have been thinking about this postheroisch business. To be fair, Dornes (2010: 1009) does offer other terms in a footnote: "postpatriarchalisch (Kilian 1995), postkonventionell (Whitebook 1995), postautoritär (Honneth 2009)," which I believe are more-or-less problematic for their own reasons.
But, postheroisch has a sort of familiar ring to it. Turns out, it’s a term coined by Charles Handy, a management Guru of some repute and has been in circulation in management literature for some time now. This I believe affords an ironic reflexivity to Dornes’ thesis. Whatever be the Erziehungspraktiken that might have assisted his formation, his propensity to deploy post-“linguistic turn” academic vocabulary of this kind has much more to do with how labor is organized in the age of “flexible accumulation”. Thus, it is not for nothing that flexibility is the central figure in his construction of the postheroische Charakter.
Sonntag, 5. Juni 2011
Der postheroische Charakter
Dornes beschränkt sich methodisch zunächst auf die Frage, wie sich die Vermittlung von Subjektivität durch Erziehung verändert hat und konstatiert hier einen Wandel zu einem „verhandlungsbasiertem Erziehungsstil“, der nicht mehr zu Gehorsam und Unterordnung führen soll, sondern Selbstständigkeit zum Erziehungsziel erklärt. Resultat dieses Erziehungsstils ist ein Charaktertypus, den Dornes als postheroisch bezeichnet und welcher durch eine ambivalente Struktur aus Freiheit und Verletzlichkeit charakterisiert ist. Der Typus heißt „postheroisch“, weil er sich „von einer ‚heroischen‘ Unterdrückung eigener Impulse ebenso verabschiedet hat wie von einem heroischen Aus- und Durchhalten einmal getroffener (Lebens-)Entscheidungen“ (p. 1009). Dieser neue Charakter ist „entkrampft“ und kann innere Widersprüche deutlicher wahrnehmen und zwischen den psychischen Instanzen sensibler vermitteln (Dornes spricht von einer „kommunikativen Verflüssigung des psychischen Apparats“). Gleichzeitig produziert diese „Entkrampfung“ auch ein höheres Maß an Unsicherheit und „Störanfälligkeit“.
Mittwoch, 1. Juni 2011
Is It Still Possible to Be a Hegelian Today?
Slavoj Zizek macht die Hegel-Lecture im Dahlem-Humanities-Center. Irgendwie erzählt er meist nichts Neues und hinter den Effekten verbirgt sich wohl wenig Substantielles - aber unterhaltsam ist er irgendwie immer und passt super in einen Blog mit dem Titel „Critical Entertainment“. Hier kann man das Video ansehen.
Montag, 30. Mai 2011
What's left of the Indian Left?
However epoch-making the election, what interests me is the response of a motley group of leftist activists and intellectuals, who claim that the defeat of the real-existing-socialism type Old Left “should mean space for a stronger left movement, a ‘new left’ if you like, that reflects the aspirations of the mass of people more creatively, with more imagination and greater integrity”. Time is indeed out of joint here! But, this is indeed the case; this is a response from the old New Left, or the non-parliamentary Left in India.
Sonntag, 29. Mai 2011
Adornos Kritik der politischen Ökonomie
Die Frankfurter Rundschau rezensiert ein neues Buch über Adornos Kritik der politischen Ökonomie. Es handelt sich dabei um die Dissertation von Dirk Braunstein, der als Herausgeber der nachgelassenen Schriften Adornos arbeitet.
„Braunstein gelingt es, das hartnäckige Vorurteil zu zerstreuen, dass sich Adorno nicht ernsthaft mit Fragen der Ökonomie beschäftigt habe. Daraus wiederum schließt er nicht, dass die Früchte dieser kontinuierlichen Beschäftigung immer überzeugend sind. Bei der Lektüre des Buchs, das zu einem guten Teil auf der akribischen Auswertung von noch unveröffentlichtem Archivmaterial beruht, gewinnt man den Eindruck, dem prominenten Theoretiker gleichsam bei der Verfertigung seiner Gedanken zuhören zu können. Man spürt, wie sich Adorno vortastet, dann wieder seiner Neigung zu schrillen Thesen nachgibt, um später rückblickend diese Thesen als allzu ‚unbekümmert‘ abzuschwächen.“
Der Rezensent unterstellt Adornos Ökonomiekritik theoretische „Unsicherheiten“, die mir eher der Widersprüchlichkeit des Gegenstandes geschuldet erscheinen - wenn dies auch auch der Tenor des Buches ist, verstellt sich der Autor vermutlich einige Einsichten. Die Auswertung von Archivmaterial zu diesem Themenkomplex klingt allerdings vielversprechend und das Inhaltverzeichnis wirkt angenehm unakademisch. Ein früherer kurzer Text Braunsteins zum gleichen Thema findet sich hier.