Mittwoch, 27. Juli 2011

Neues von den Evangelikalen?

Marcia Pally – Kulturwissenschaftlerin und regelmäßige Kolumnistin in der Frankfurter Rundschau hat ein Buch über die „Neuen Evangelikalen“ in den USA geschrieben. Die Rezension auf hsozkult.de klingt zunächst auch ganz spannend: Neben einem historischen Überblick über die Evangelikale Bewegung in den USA, der sich insb. ihren politischen Bestrebungen widmet; und einem längeren Exkurs über das Verhältnis von Staat und Kirche ist der Kern des Buches eine Sammlung von Interviews mit verschiedenen Vertretern des liberalen Flügels der Evangelikalen.

Problematisch an Pallys Buch scheint der Versuch, zu zeigen, dass auch religiöse Bewegungen einen Beitrag zur politischen Liberalisierung leisten können (die FAZ spricht von message overkill). Hierfür hätte Pally auch ein Verweis auf die Anfänge der Evangelikalen Bewegung gereicht, die sich stark gegen Sklaverei und Rassentrennung, für soziale Hilfsleistungen usw. eingesetzt hat. Auch im 20. Jhdt. gab es schon eine Bandbreite von evangelikalen Gruppierungen, die nicht mit dem hegemonialen Bild der christlichen Rechten übereinstimmten (u.a. gibt es seit Jahrzehnten Zusammenschlüsse evangelikaler Homosexueller). Insb. vor dem Hintergrund eines historischen Abrisses der evangelikalen Bewegung in den USA überrascht Pallys Ansinnen ein wenig: schon auf Grund der Pluralität religiöser Formen in den USA und des mangelnden Schutzes durch den Staat, der zwar Religion per se als wichtig anerkennt, jedoch keine einzelne Kirche zur Staatskirche macht, waren di verschiedenen Denominationen auf einen offenen Wettbewerb um Mitglieder und die Anerkennung demoratischer Umgangsformen angewiesen. Hier mag auch Pallys Exkurs zum Verhältnis von Staat und Kirche, der sich – so die Rezension – sehr stark auf Europa bezieht zur Verzerrung beitragen.

Interessant scheint mir v.a. das Interviewmaterial, denn das offene Bekenntnis zu liberalen Zielen, wie es sich im Evangelical Manifesto von 2008 äußert – und das einer der Ausgangspunkte des Buches ist – scheint schon anzuzeigen, dass sich etwas tut in der evangelikalen Landschaft.

Was im Buch jedoch zu fehlen scheint ist ein Verweis auf die Tea Party Bewegung, die m.E. gar nicht mehr darauf hinzuweisen braucht, dass sie evangelikal/christlich ist und einen großen Teil des – vormals in der New Christian Right aufgehenden – konservativen Ressentiments auffängt.

(Dass gerade Pally den Versuch macht die Religion als Teil einer liberalen Agenda zu präsentieren, überrascht ein wenig in Anbetracht ihrer Beiträge in der Frankfurter Rundschau, da sie sich dort oft große Mühe zu geben scheint, der linksliberalen Leserschaft zu bestätigen was sie eh schon über die USA weiß.)

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