Samstag, 31. Dezember 2011

Google Art

Die Suchmaschinen Google Scholar, Google Books oder Google Street View liefern großartige Recherche- und Informationismöglichkeiten, aber Google hat noch eine Vielzahl anderer Spezialsuchmaschinen zu bieten. So überträgt das wenig bekannte Projekt Google Art das Google Street View Prinzip auf die berühmtesten Museen der Welt und ermöglich so Rundgänge durch den Louvre, das MoMa und andere Museen. Die dortigen Kunstwerke kann man in höchster Auflösung betrachten, nur Speichern kann man die Bilder leider nicht.

Freitag, 30. Dezember 2011

Bloodlust von Russell Jacoby


Der Historiker Russell Jacoby hat ein neues Buch mit dem Titel „Bloodlust. On the Roots of Violence from Cain and Abel to the Present“ veröffentlicht. Jacoby steht in der Tradition der Kritischen Theorie und hat einige Bücher zur Geschichte der Intellektuellen in den USA geschrieben. Außerdem versuchte Jacoby immer wieder die Verbindung von Psychoanalyse und Gesellschaftstheorie zu leisten, wie z. B. in seinem Buch Soziale Amnesie. Eine Kritik der konformistischen Psychologie von Adler bis Laing und in seiner Biografie des Psychoanalytikers Otto Fenichel Die Verdrängung der Psychoanalyse oder der Triumph des Konformismus. Sein neues Buch Bloodlust widmet sich dem gesellschaftlichen Phänomen der Gewalt und liefert dazu Erklärungen, die quer stehen zu denen des Alltagsbewusstseins und inzwischen auch zu denen der Akademie. Jacoby vertritt die These, dass Gewalt nicht entsteht, wenn Fremde aufeinander treffen, unterschiedliche Kulturen sich begegen oder das „Andere“ Unsicherheit und Furcht hervorruft - sondern im Gegenteil: Gewalt ensteht unter Gleichen: unter Nachbarn, unter Freunden und Bekannten und, vor allem, in der Familie.
„We want to believe that the persecuted are outsiders. How else can we explain what happens to them? We find it difficult to accept, that the persecuted are insiders or neighbours; this makes the story more uncomfortable. … The attack-the-foreigner explanation apprehends with ease other genocides. Why did the Serbs murder the Bosnians? Or the Rwandan Hutus murder Rwuandan Tutsis? No need to ask. Mutual hatred, we say. Yet the opposite may be closer to the truth. Serbs and Bosnians, and the Tutsis and Hutus lived together naively, without really knowing or caring who was who - for centuries. In the same way Jews lived in Germany with minimal fuss or notice. However, we prefer the notion of a primal hatred for primal strangers. This is psychologically easier to grasp and requires no introspection.“ (p. 110f)
Jacoby entnimmt der Geschichte Stichproben besonders gewalttätiger Ereignisse: die Bartholomäus-Nacht, Bürgerkriege, die Französische Revolution und die Judenvernichtung im Nationalsozialismus und zeigt an diesen Beispielen, wie gerade die schlimmsten Atrozitäten nicht an Fremden begangen wurden, sondern die Unterschiede der vermeintlich anderen zur Rationalisierung der Gewalt oft erst umständlich hergestellt wurden. Jacoby nutzt dazu das Freudsche Begriffsinstrumentarium, die Analyse des Unheimlichen und den Begriff des Narzissmus der kleinen Differenzen. Damit erreicht er eine Umkehrung der Perspektiven: die Fremden sind nicht mehr die anderen, sondern das eigene Unbewusste und nicht Fremdheit produziert Hass, sondern Gleichheit wirkt bedrohlich auf den Einzelnen. Jacoby liefert im besten Sinne Gegengift, zum kulturalistischen Mainstream, der die Unterschiede von Identitäten und Kulturen als Erklärung für alles mögliche präsentiert - ein unbedingt lesenswertes Buch, dem etwas mehr Aufmerksamkeit auch in Deutschland zu wünschen wäre. Hier kann man einen Blick in das Buch werfen. Zum Schluss ein Wort des Autors über sein eigenes Buch, das der Verlag bei Youtube eingestellt hat: