Dass in Frankfurt die Mieten hoch sind und – trotz Immobilienkrise – weiter steigen werden, dass es sich trotz riesigen Leerstands immer noch lohnt Bürogebäude zu bauen und dass v.a. in den Wohnvierteln rund um die Innenstadt neue Mietergruppen (Doppelverdiener, 1,4 Kinder, akademische Ausbildung, weiß) zuziehen, alte Bewohnergruppen verdrängt werden und immer neue und doch immer die gleichen Bars, Boutiquen und Bioläden aufmachen; kurz gesagt, dass die Gentrifizierung hier im vollen Gange ist, ist nicht wirklich neu und – auch in Anbetracht einer schwarz-grünen Stadtregierung – auch nicht unbedingt überraschend. Grund zur Kritik ist es allemal.
Eben das wird sich auch das Bündnis linker Gruppen gedacht haben, das für den 11.6. zu einem Aktionstag unter dem Titel „Wem gehört die Stadt?“ aufruft. Es wird u.a. einen Viertelrundgang durch Bockenheim, „aktionistisches Sightseeing“ in der Innenstadt, eine Volksküche und eine Kiosk-Aktion im Gallus (einem nach wie vor eher proletarisch geprägten Viertel im Westen des Bahnhofs) geben. So weit, so erwartbar und sicherlich eine nette Art einen Samstag zu verbringen.
Und doch stellt sich beim Lesen der Mobilisierungzeitung Unbehagen ein. Auch das ist beim Lesen linksradikaler Texte nicht wirklich neu, ich weiß. Da ich schon seit längerer Zeit keinen Blick mehr in Veröffentlichungen der Genossinnen und Genossen geworfen habe, hier halt doch ein paar Beobachtungen.
Mir scheint das Geschriebene an vielen Stellen richtig und wichtig. Da ist zum einen die Kritik an den Plänen, rund um den Frankfurter Dom ein neues Altstadt-Quartier zu errichten, das äußerlich ans Mittelalter anknüpfen und einen „Identifikationsort“ (so die Grünen in FfM) darstellen soll, an dem die Frankfurter einen Bezug zu „ihrer Geschichte“ herstellen können sollen. Dass damit ein anderer Teil der Frankfurter Geschichte – die Zerstörung eines Teils der Innenstadt durch die Alliierten im Kampf gegen das nationalsozialistische Deutschland und die daran in den 50ern anschließende radikale Modernisierung der Innenstadt – architektonisch unsichtbar gemacht wird ist ein wichtiger Hinweis.
Dies gilt auch für den geplanten Abriss des Klapperfeldes. Das Gebäude wurde als Polizeigefängnis gebaut, dann von der Gestapo und später als Abschiebeknast genutzt. Zur Zeit beheimatet es die Initiative faites votre jeu!, die das Klapperfeld als autonomes Zentrum nutzt und die Geschichte des Gebäudes in unglaublicher Kleinarbeit aufgearbeitet hat und sehr erfolgreich darin ist, diese Geschichte auch an Menschen zu vermitteln, die an autonomer Politik wenig Interesse haben. Auch dieser Ort soll Umstrukturierungsplänen anheimfallen, die den Bau eines Wohnhochhauses vorsehen.
Spannend finde ich auch die Überlegungen zur „unternehmerischen Stadtentwicklung“, die davon ausgehen, dass der proklamierte Wettbewerb zwischen Städten um Bewohner und Investoren als self-fulfilling prophecy anzusehen ist, der mehr durch politische Maßnahmen (Verknappung städtischer Budgets durch zunehmende Aufgaben) als durch gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklungen ins Werk gesetzt wurde.
Und auch die Hinweise auf Henri Lefebvres Theorie der Stadt fand ich spannend – auch wenn sie an der spezifischen Situation Frankreichs in den 1970er Jahren gewonnen wurde und sich nicht ohne weiteres wird auf die Entwicklungen im gegenwärtigen Deutschland übertragen lassen.
Warum also nun das Unbehagen? Es sind die kleinen Unstimmigkeiten und die großen Vereinfachungen.
Dass Ressourcen ungleich verteilt sind und in vielen Orten im Taunus schöne Villen stehen ist bekannt. Doch warum wird ausgerechnet auf Bänker und Uniprofessoren hingewiesen, die von dort vermeintlich in die Stadt fahren? Warum nicht Anwälte, Ärzte, IT-Spezialisten?
Warum sprechen alle Texte die Vertreibung von Obdachlosen, Illegalen und unerwünschten Jugendlichen an und es kommt dann keine dieser Gruppen zu Wort?
Warum ist es eine Künstlergruppe, die einen Kiosk im Gallus neu nutzt, die als einzige darauf reflektiert, dass der eigene Anspruch an Kultur und Freiräume schon ein erster Schritt in Richtung Gentrifizierung sein kann?
Warum ist die Kritik an gegenwärtigen gesellschaftlichen Entwicklungen anscheinend nie ohne Revolutionsaufruf zu haben? Ja klar, weil alles andere nur eine kleine Reform bleiben wird und sich an der zugrundeliegenden gesellschaftlichen Struktur nichts ändern wird… Das ist mir schon klar – doch da das mit der Revolution noch ein wenig dauern dürfte, könnte man die Zwischenzeit ja zur Reflektion nutzen und versuchen dann doch mal am Konkreten zu arbeiten (und jetzt kling ich wie der alte Sack, der beschlossen hat, dass grün wählen ja doch auch ganz gut sein kann…). Das schaffen dann aber nur die Bürgerinitiativen, die sich mit den Veränderungen vor der eigenen Haustür auseinandersetzen, während die autonomen Antifas so weit draußen sind, dass es schließlich auch egal ist. Zumindest kann man dann noch imaginieren, dass die flächendeckende Kameraüberwachung der Verhinderung von – ja natürlich – antifaschistischem Widerstand dient und nicht einem irrationalen Sicherheitsbedürfnis getrieben ist. (Es erinnert mich ein wenig an den Post zu Benhabib: diejenigen, die am wenigsten mit realen politischen und gesellschaftlichen Auseinandersetzungen zu tun haben, können die abstrusesten Analysen abgeben.)
Und warum muss die geschilderte Utopie so sehr nach Hippie-Kommune klingen, in der sich alle im Viertel super verstehen und auf der Ebene von Naturalientausch kooperieren?
Warum muss immer die Politik herhalten, wenn es um Gesellschaft geht? Niemand im Rathaus zwingt die Leute teures Bio-Gemüse zu kaufen, hippe Mode zu tragen, in langweilige Szenebars zu gehen und nobel sanierte Wohnungen hübsch zu finden, das klappt auch so ganz gut...
Und zu guter Letzt: Ich verstehe ja, dass es sinnvoll ist, den Kontext der städtischen Veränderung zu eröffnen, auch wenn es um spezifische Projekte geht, die den beteiligten Gruppen wichtig sind. Nur ist es so schlimm auch mal das Eigeninteresse an bestimmten Räumen zu äußern, zu sagen, dass man die Freiräume, die einem der alte Campus geboten hat vermissen wird und dass man die glatten Fassaden der Innenstadt und die geschmacklosen Kaufhäuser scheiße findet? Es muss dann immer gleich das große Ganze herhalten, das man in 16 Seiten Zeitung nicht wird analysieren können, statt sich in den Interessen-Widerspruch zu begeben, der in Anbetracht von Gentrifizierung nun einmal besteht.
Und auch wenn ich das grundsätzliche Anliegen richtig finde, sind es diese Fragen, die mich skeptisch bleiben lassen.
Ich geh morgen lieber im Taunus Wandern…
I’ve always had my doubts about riding the leftwing “antigentrification” bandwagon. CB's post reminded me of an episode from Kiran Desai’s 2006 novel _The Inheritance of Loss_ which mentions - almost en passant - a similar protest event in New York of the eighties. Here's the google-books link: http://books.google.com/books?id=HWfBJdEHm0EC&lpg=PP1&pg=PA55#v=onepage&q=ganesh&f=false
AntwortenLöschen- Regards, JW
Wie schnell diese Gentrifiation-Debatte vorurteilshaft wird, zeigt dieser Beitrag von Christiane Rösinger in der Jungle World (!).
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